Marius Janke ist Syndikusrechtsanwalt bei der Deutschen Bahn im Bereich Datenschutzrecht, Absolvent des Double-Degree-Programms und Alumnus des 20. EULISP-Jahrgangs.
17.07.2021 – Interview
Hallo Marius, danke, dass du dir für dieses Interview heute Zeit genommen hast. Zum Einstieg möchten wir dich fragen, was deine persönliche Motivation dafür war, dich für den EULISP-Studiengang zu bewerben.
Als gebürtiger Hannoveraner kam mir die Rückkehr in meine Heimatstadt für ein Semester nach dem ersten Staatsexamen sehr gelegen. Daneben standen auch noch andere wichtige Punkte. Zum einen war es mir wichtig, den LL.M. nicht nur um des LL.M.-Willens zu machen, ich wollte auch ein fachlich angesehenes Programm wählen, das zu meinen Interessen passte. Denn neben den klassischen rechtlichen Themen der Digitalisierung und des geistigen Eigentums, gab es hier auch Angebote wie Vertragsverhandlungen, Legal Design Thinking und rechtsvergleichende Veranstaltungen. Diese Mischung hat mich sehr gereizt und ich fand auch damals schon das Angebot im Bereich Datenschutzrecht sehr interessant.
Bei der Bewerbung für den LL.M. stand ich kurz vor dem ersten Staatsexamen und habe gemerkt, dass diese Themen in unseren Uni-Veranstaltungen nicht behandelt wurden, obwohl auch damals schon digitale Geschäftsmodelle unter Nutzung von Daten auf Hochtouren liefen. Deshalb fand ich das EULISP-Programm sehr interessant, da es diese Bereiche abdeckte. Außerdem fand ich die Möglichkeit sehr reizvoll, einen Großteil des Programms in einem skandinavischen Land verbringen zu können.
Konntest du dann bei deinem Berufsstart und auch im späteren beruflichen Leben die Inhalte, die du im EULISP behandelt und erlernt hast, einsetzen?
Ja, das war definitiv von Vorteil. Einerseits gab es natürlich juristische Aspekte, die ich im Rahmen des Programms kennengelernt habe und dann zum Berufsstart gut nutzen konnte. Ich habe viele Themen wiedererkannt und konnte sie daher schnell einordnen und auch vertiefen. Bei mir persönlich war es so, dass der Berufsstart in einer Wirtschaftskanzlei auch geprägt war von internationaler Arbeit. Bei internationalen Mandaten haben mir die Sprachfertigkeiten, die ich im englischsprachigen Umfeld in Oslo festigen konnte, sehr geholfen und persönlich mehr Sicherheit in der Mandatsarbeit gegeben.
Wie du gerade sagtest, hast du dein zweites EULISP Semester in Oslo verbracht. Was hat dir an dem Studium dort besonders gut gefallen?
An Oslo hat mir besonders gut gefallen, dass dort ein ganz anderer Ansatz beim Lernen und bei den Bewertungen verfolgt wurde, als wir es aus unserer deutschen Juristenausbildung kennen. In Deutschland ist die Ausbildung immer noch berüchtigt für ihre Härte und strenge Bewertung. Dazu kommt ein oft nicht so gut funktionierendes Zusammenspiel von Universitäten und staatlichen Prüfungsämtern bis hin zu wirklich veralteten Rechtsgrundlagen für die Juristenausbildung. Diese Aspekte habe ich in Oslo nicht erlebt. Mein Eindruck war, dass Lehre und Prüfungen dort viel mehr auf Augenhöhe mit den Studenten stattfanden. Im Kontrast zu der in Deutschland oft vorherrschenden Sorge vor schlechten Bewertungen, habe ich es in Oslo eher so empfunden, dass die Studenten sich mit mehr Mut und Zuversicht den Themen nähern. Es ging Dozenten und Studenten darum, gemeinsam neue Ideen und rechtliche Ansätze zu entwickeln, anstatt eine riesige Menge an Rechtsgebieten einfach nur auswendig zu lernen und diese in diversen Klausurtypen innerhalb kürzester Zeit abzuprüfen.
Sehr gut gefallen hat mir daneben, dass im Studium in Oslo bereits 2015 Lehre und Prüfungen weitgehend digital waren. Als ich meinen norwegischen Kommilitonen erzählt habe, dass man bei uns in Deutschland im Ersten Staatsexamen sechs fünfstündige Klausuren handschriftlich schreiben muss, die dann durch die Korrektoren entziffert werden müssen, hat das für einiges Staunen gesorgt.
Abgesehen vom Studium, das dir sehr gut gefallen hat, wie hast du deine Zeit in Oslo genutzt?
Was mir besonders gut gefallen hat war, dass das studentische Leben in Oslo häufig im Freien stattgefunden hat. Die Studenten konnten sich beispielsweise sehr günstig Ski-Ausrüstung anmieten. Auch die sonstigen Angebote der Uni für Studenten, wie mehrtägige Hüttentouren in das gebirgige Umland von Oslo, fand ich sehr gut. Bei schlechtem Wetter konnten wir die modernen Fitnessstudios, Schwimmbäder und Saunen der Uni nutzen.
Generell fand ich es interessant, dass viele Norweger nicht so lange im Büro sitzen, sondern sich früh abends viele noch zum Sport getroffen haben oder trinken gegangen sind. Insgesamt war eine sehr hohe Lebensqualität zu sehen.
Heute arbeitest du als Syndikusrechtsanwalt bei der Deutschen Bahn. Aus welchen Gründen hast du dich dafür entschieden, diesen Karriereweg einzuschlagen und war das schon im Studium dein Plan?
Ich hatte in der Ausbildung ehrlich gesagt noch keinen klaren Plan vor Augen, vieles hat sich schrittweise ergeben. Mir war früh bewusst, dass ich möglichst viele berufliche Facetten sehen und kennenlernen möchte, um dann später eine gute berufliche Entscheidung treffen zu können. Deutlicher wurde mir mein beruflicher Weg erst durch die Stationen im Referendariat. Ganz besonders durch die Erfahrungen, die ich bei der Arbeit im Auswärtigen Amt gemacht habe sowie während meiner Zeit an der Deutschen Botschaft in Neu-Delhi.
Nach dem Referendariat wusste ich dann, dass ich entweder Diplomat werde oder Wirtschaftsunternehmen in Bezug auf rechtliche Aspekte der Digitalisierung unterstützen möchte. Letztlich habe ich mich dann für den Weg in der Rechtsberatung in einer Kanzlei entschieden. Während meiner Tätigkeit in der Kanzlei habe ich Unternehmen verschiedenster Größen und Branchen kennengelernt. Dadurch kam auch die Idee, als Syndikus zu arbeiten und damit noch festerer Bestandteil eines Unternehmens mit seinen Produkten und Prozessen zu sein, als ich es in der Wirtschaftskanzlei als externer Berater war. Im Bereich des IT- und Datenschutzrechts und den damit verbundenen Digitalisierungsthemen kommt man im Vergleich zu anderen juristischen Spezialisierungen sehr nahe mit Kollegen aus anderen Fachrichtungen zusammen, was mich ebenfalls zu dem Wechsel in den Konzern bewogen hat.
Wie viele andere Unternehmen steht auch der Deutsche Bahn Konzern vor der Herausforderung, große Mengen an Daten sinnvoll für ihre Geschäftszwecke nutzbar zu machen. An welcher Stelle sind Datenschutzrechtlerinnen und Datenschutzrechtler in diese Prozesse involviert?
Wir beraten die Projekte und Stakeholder in zwei Schwerpunkten. Das ist zum einen der Kundendatenschutz, also der Endkundendatenschutz und zum anderen der Beschäftigtendatenschutz. Was die Frage der Nutzung von Endkundendaten für unsere Geschäftszwecke, Produkte und Verbesserung der Reiseerlebnisse anbelangt, sind wir sehr früh involviert und beraten von Beginn einer Produktidee an. Neben den klassischen Themen, wie der Ausarbeitung juristischer Dokumente, Vertragsgestaltung und Vertragsverhandlungen haben wir beispielsweise den gerade erwähnten, ganz speziellen Fokus auf der digitalen Produktentwicklung. Das heißt, wir arbeiten an der Entwicklung neuer Apps und Websites, die die Reise unserer Kunden erleichtern, mit. Das finde ich besonders spannend, weil man tief in technische Aspekte eintauchen muss. Bei diesem Setting kann man den rechtlichen Weg mit datenschutzrechtlichen Themen wie Privacy by Design und Privacy by Default von vornherein mitgestalten. Das ist in frühen Produktentwicklungsphasen oft herausfordernd. Ich merke immer wieder, dass man Legal Themen ganz eng mit anderen Disziplinen wie beispielsweise Technik, Design und Marketing abstimmen muss. Hierbei spielt natürlich auch die Datenstrategie des Konzerns eine ganz wesentliche Rolle.
Dabei wird das Datenschutzrecht vielfach auch als störend und überreguliert wahrgenommen, was auch seinem Image in der öffentlichen Wahrnehmung entspricht. Das Spannende ist, dass wir gemeinsam trotz der regulatorischen Vorgaben innovative Produktlösungen entwickeln können und das Datenschutzrecht selten wirklich ein endgültiges Hindernis für uns darstellt. Auch wenn es immer viel Arbeit bedeutet, Datenschutz-Compliance herzustellen, können wir im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben durchaus viel gestalten. Das ist eine unserer größten Herausforderungen, aber auch einer der Punkte, die am meisten Freude in dem Job machen.
Du hast gerade auch noch erwähnt, dass du auf der Produktseite viel mit Kolleginnen und Kollegen anderer Disziplinen zusammenarbeitest, insbesondere aus dem IT-Bereich. Hast du den Eindruck, dass dir das EULISP-Programm die technischen Grundlagen mitgegeben hat, die es dir erleichtern, auch technische Sachverhalte leichter einzuordnen?
Auf jeden Fall. Während des EULISP habe ich auch in die nicht-juristischen und eher technischen Themen reinschnuppern können, ohne alles bis in das letzte technische Detail verstehen zu müssen. Meiner Meinung nach ist das auch nicht der Anspruch an Juristen aber es vereinfacht die Zusammenarbeit sehr, wenn man aus der eigenen Fachwelt herauskommt. Juristen haben eine sehr eigene Denkweise und wir empfinden manche Dinge als problematisch, die Techniker überhaupt nicht als problematisch empfinden und umgekehrt. Man braucht Geduld, um immer wieder nachzufragen, bis man etwas wirklich so verstanden hat, dass es rechtlich bewertet werden kann.
Was würdest du rückblickend sagen, welche Bedeutung hat das EULISP für deine Karriere ganz allgemein?
Zum einen hat das EULISP mir ermöglicht, mich als Berufsanfänger fachlich abzuheben und so den Weg in den hochspezialisierten Bereich der Digitalisierungsthemen in einer Wirtschaftskanzlei gehen zu können. Rückblickend hat das LL.M.-Programm definitiv sehr zu meiner persönlichen Entwicklung beigetragen. Ich habe gelernt, mich aus der Juristenperspektive zu lösen und offener für die Denkweisen und Bedürfnisse anderer Fachrichtungen zu sein.