Dario Struwe ist Syndikusrechtsanwalt bei der Volkswagen AG in Wolfsburg und EULISP-Absolvent des 13. Jahrgangs mit Auslandssemester an der Universitetet i Oslo, Norwegen.
16.07.2021 – Interview
Lieber Dario, was war deine ursprüngliche Motivation dich für das EULISP-Studienprogramm in Hannover einzuschreiben?
Also ich habe in Hannover studiert, hatte auch schon die ersten Vorlesungen zur Rechtsinformatik gehört und insbesondere die Vorlesungen von Prof. Dr. Nikolaus Forgó erlebt. Die Art wie er den Stoff rübergebracht hat, war natürlich viel lebendiger und anders als der klassische Frontalunterricht mit Overheadfolien. Diese Art und das Interaktive fand ich schon immer super und auch die Materie. Ich bin einfach technikaffin. Ich bin auch so ein Typ mit Smart Home und allem Drum und Dran und Alexa Beta Tester. Von daher fand ich es gut, das Recht mit diesem – ich sag mal etwas „Nerdigem“ – verbinden zu können und dann auch dieses interaktive, mehr workshop-ähnliche Programm zu absolvieren. Das war für mich einfach die richtige Mischung.
Gab es Projekte oder Seminare aus dem EULISP, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?
Prof. Benno Heussen ist mir in Erinnerung geblieben. Der hat Vertragsverhandlungen gemacht. Also eher so eine Soft Skills-Veranstaltung, die wie ein kleiner Moot Court aufgebaut war. Sehr ansprechend fand ich damals auch, dass man einerseits die klassischen Professoren hatte, andererseits aber eben auch die Praktiker. Das ist so eine Sache, die ich jetzt auch in meiner täglichen Arbeit nach einem normalen Jurastudium bemerke. Wenn man in der Kanzlei oder auch als Inhouse- Jurist arbeitet, kann man ja mit vielen Sachen nichts mehr anfangen. Öffentliches Recht und Strafrecht macht man so gut wie nie und auch Zivilrecht, zum Beispiel das Sachenrecht, habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr angeschaut. Da waren gerade die Praktikervorlesungen, also zum Beispiel das Blockseminar zum Vertragsdesign, eine gute Vorbereitung auf das Berufsleben. Aber auch das Urheberrecht war praxisgerecht aufbereitet. Damals hat Prof. Axel Metzger diese Veranstaltung geleitet. Diese Vorlesungen sind mir schon sehr in Erinnerung geblieben.
Wie würdest du rückblickend den internationalen, englischsprachigen EULISP-Schwerpunkt im europäischen Recht beurteilen? Hast du in der Praxis da noch viele Anknüpfungspunkte?
Also in meinem EULISP-Jahrgang waren noch viele Vorlesungen auf Deutsch und noch nicht ganz so europäisch ausgerichtet – zumindest in Hannover. In Oslo war alles vollständig auf die entsprechenden EU-Richtlinien und Verordnungen ausgelegt, aber in Deutschland war noch viel nationales Recht, immer mal mit europäischen Bezügen, aber wirklich eher noch national ausgerichtet. Aber in meiner täglichen Arbeit, das muss ich wirklich sagen, hat der LL.M. einfach Riesenvorteile, zum Beispiel beim Thema Datenschutz. Man kommt ja nirgendwo mehr ohne Datenschutz aus. Jeder kann sich kollektives Arbeitsrecht während des Studiums anhören, das wird aber so gut wie niemand später machen. Datenschutzrecht ist hingegen kontinuierlich relevant, auch allgemeines Vertragsrecht, ob das nun irgendwelche Schiedsgerichtsklauseln oder Haftungsklauseln sind. Das sind die Sachen, die ich wirklich tagtäglich mache und die kamen auch schon im EULISP vor, weil man eben viele Praktiker als Dozentinnen und Dozenten hatte, die einem auch nochmal gezeigt haben, wie überhaupt ein typischer Lizenzvertrag aussieht, wie ist das Muster und wie ist der Aufbau dahinter.
Warum hast du dich für Oslo und die dortige Partneruniversität für das zweite EULISP- Semester entschieden?
Also einmal, weil wir der erste Jahrgang waren, der das Double-Degree-Programm absolvieren konnte. Das war natürlich ein Anreiz. Gleichzeitig wurde dieser Programmteil vom DAAD gesponsert, was einem Stipendium entsprach. Was für mich auch entscheidend war ist, dass man alles auf Englisch machen konnte. Für mich kamen eh nur englischsprachige Universitäten in Erwägung. London war sehr teuer, allein die Studiengebühren lagen schon bei ca. 4.000 Euro, von den Kosten für die Unterkunft sprechen wir da noch gar nicht. Und so habe ich dann meine Wahl zwischen Stockholm und Oslo getroffen. Bezüglich Stockholm hatte ich mit vorherigen EULISP-Studierenden gesprochen und die meinten, dass dort sehr technisch gelehrt wurde und es zum Beispiel darum ging, wie ein LAN aufgebaut ist und so weiter. Das war dann nicht das, was ich unbedingt machen wollte. Da fand ich Oslo deutlich interessanter, denn da gab es, wie gesagt, das DAAD-Stipendium und was ich auch super fand, eine Wohnheimgarantie. Oslo war also insgesamt ein sehr gutes Paket.
Wenn du jetzt an deine Studieninhalte in Oslo zurückdenkst, wie haben die sich unterschieden von dem was du vorher in Hannover im ersten EULISP-Semester gemacht hast?
In Oslo hatte ich genau zwei Kurse. In dem einem Kurs ging es intensiv um Verbraucherschutzrecht bzw. E-Commerce-Recht und der andere Kurs war Datenschutzrecht bei Prof. Lee Bygrave, der ja immer noch in Oslo lehrt. Die Kurse haben ein hohes Niveau geboten. Insbesondere Prof. Bygrave war sehr gut. Im Vergleich zu Hannover war es vielleicht ein bisschen weniger interaktiv und es bedurfte mehr Selbststudium, zum Beispiel in Form von Reading Lists.
Wie ist dir dein Auslandssemester unabhängig von den fachlichen Inhalten in Erinnerung geblieben und hast du Empfehlungen für Ausflüge oder Aktionen, die man in Oslo besonders gut machen kann?
Also ich habe sehr gute Erinnerungen an die Zeit in Oslo und es hat super viel Spaß gemacht. Wir hatten auch genug Freizeit und eine tolle internationale Truppe. Viele Sachen haben wir zusammen gemacht und dadurch, dass ja auch alle in diesem Wohnheim gewohnt haben, war man auch relativ dicht beisammen. Das war ein Riesenvorteil und die Fachschaft hat einmal einen Ausflug nach Bergen organisiert und einen auf eine Skihütte (Cabin Trip). Was einem nur vorher klar sein muss, in Norwegen liegt der Bierpreis irgendwo bei acht Euro. Also großartig Party machen, war da nicht. Es war also nochmal so richtig Studentenleben, da man eben nicht „extern“ Party machen gegangen ist, weil es viel zu teuer war.
Hast du abschließend vielleicht noch einen Geheimtipp für das Leben in Oslo, für die zukünftigen Eulispianer?
Also was ich richtig gut fand, es gab immer den Freezy Friday. Es gibt in der Nähe von Oslo – da kommt man auch mit der T-bane hin – ein Skigebiet und da konnte man als Student, für damals fünfunddreißig Euro, sehr günstig Abfahrtsski fahren. Davon umfasst, war freitags immer ein Tagespass, inklusive Ski-Ausleihe. Das war wirklich klasse, dass man sich einfach eine halbe Stunde in die Öffis gesetzt hat und im Skigebiet war. Und dann abends mit Pistenbeleuchtung Ski fahren zu können – ein absoluter Traum! Generell hat mir die Natur- und Sportverbundenheit der Norweger sehr gefallen.
Das ist doch mal ein wirklich guter Geheimtipp. Wurdest du bei der Wahl der Referendariatsstationen und später bei deinem Berufseinstieg vom EULISP beeinflusst?
Also zuerst habe ich promoviert. Danach im Referendariat war ich dann tatsächlich beim Landgericht in einer Kammer, die viel Urheberrechtsstreitigkeiten gemacht hat. In der Verwaltungsstation habe ich mich für das Bundeskartellamt in Bonn entschieden und dort in der IT-Abteilung gearbeitet. Damals hieß das noch EDV-Abteilung. In der Anwaltsstation habe ich in einer IT-Boutique gearbeitet, bei der ich nach dem Referendariat dann auch als Rechtsanwalt in Frankfurt angefangen habe. Dort konnte ich vor allen Dingen IT-Großprojekte und IT-Carve-Outs begleiten, was sich immer sehr spektakulär anhört, aber natürlich auch viel Due-Dilligence-Arbeit voraussetzt. Schließlich kam dann auch schon mein erstes Kind und irgendwie dauerhaft das immense Arbeitspensum abzuarbeiten, war dann nicht mehr ganz so familienkompatibel. Also habe ich mich nach einer beruflichen Alternative umgeschaut, in der ich IT-Recht auf einem hohen Niveau weitermachen konnte und habe dann auch schnell eine mittelständische Kanzlei gefunden, die schwerpunktmäßig Microsoft, Adobe und Banken beraten hat – in der konnte ich quasi ein bisschen von der anderen Seite aus arbeiten. Und was auch super war, ich durfte sowohl bei Microsoft, als auch später bei der ING-DiBa jeweils ein Jahr ein Secondment absolvieren. Da konnte ich schonmal ein bisschen schauen, wie man als Unternehmensjurist arbeitet.
Inzwischen arbeitest du bei VW in der Automobilindustrie, die sich mitten im digitalen Wandel befindet. Vielen Technikern sind die damit einhergehenden rechtlichen Belange vielleicht nicht unbedingt vertraut. Hast du die Erfahrung gemacht, dass du aufgrund deiner EULISP-Vorbildung einen besseren Draht zu den Naturwissenschaftler/-innen findest?
Also total, ich glaube aber das liegt nicht direkt am EULISP, sondern vielleicht auch an dem Typ von Juristen und Juristinnen, die vom EULISP angezogen werden. Das sind in der Regel nicht die Juristen, die ausschließlich im stillen Kämmerlein arbeiten wollen. Ich glaube das Juristen, die IT-Recht machen, einfach ein anderer Menschenschlag sind, durchaus kommunikativer und mit einem besonderem Interesse an der Technik. Außerdem schaffen sie es, nicht ständig Fachvokabular zu verwenden. Also, wenn ich vorhin von Naturalrestitution oder ähnlichem geredet habe, das wird man in meiner Beratung nicht hören. Bei den Gesellschaftsrechtlern mag das vielleicht anders sein.
Eine wichtige Überschneidung zwischen Technikern und IT-Juristen bildet das Thema Open Source Software. Ist das auch ein Arbeitsschwerpunkt in der VW-Rechtsabteilung?
Das ist ein Riesenthema bei uns, weil niemand in die Copyleft-Falle treten will. Wir haben in der Rechtsabteilung Kollegen, die sind spezialisiert auf Open Source, die gucken sich das alles an. Bei uns wird auch jedes Produkt auf Open Source geprüft, also insbesondere auf Copyleft und mögliche Incompliances der verschiedenen Softwarelizenzen. Das ist aus meiner Sicht weiterhin eines der meistunterschätzten Themen, die wir so auf dem Markt haben. Ich glaube, viele wissen gar nicht, was da für Risiken in ihren Systemen schlummern. Nun gibt es inzwischen auch genug Open-Source-Trolle, die darauf aus sind mit Unterlassungsverfügungen zu drohen. Das ist natürlich ein reales Risiko.
Welche Bedeutung hatte das EULISP rückblickend für deinen Lebensweg?
Also ich muss ehrlich sagen, für mich war es schon einschneidend, weil ich eh schon in dieser IT-Schiene war, mich dann aber komplett darauf eingelassen habe und dadurch dann auch zum Doktor gekommen bin, zum ersten Job und es dann ging es immer so weiter. Von daher war das EULISP für mich eine Verfestigung der Richtung.